Newsletter #16 – Das Alphabet rückwärts aufsagen

Hallo in die Newsletterrunde.

Hoffentlich findet dich diese Nachricht gesund und ein bisschen zufrieden, ich bin gerade beides, denn die Sonne scheint (zumindest schien sie, als ich heute Mittag losgeschrieben habe), die Waschmaschine läuft, was mich immer sehr beruhigt (zumindest lief sie, als ich heute Mittag losgeschrieben habe), und ich bin dankbar, dass sich weiterhin Hunderte Menschen regelmäßig über Post von mir freuen. Es gab eine Zeit, da hatte ich gefühlt so viele Auftritte im Jahr, wie hier Menschen mitlesen, und auch damals konnte ich oft nicht fassen, wie vielen Leuten ich meine Texte präsentieren durfte. Insert Namasté-Emoji here.

Ich freue mich auch immer über Antworten von dir, und besonders freue ich mich, wenn ich Menschen nach langer Zeit wiedersehe und erfahre, dass sie meine wahnsinnig unregelmäßigen Nachrichten tatsächlich lesen. So geschehen Anfang August bei der Hochzeit einer Freundin, als die Brautmutter im Gespräch entrüstet fragte, ob ich jetzt ernsthaft verheiratet sei, ich hätte gerade „meine Frau“ gesagt, und davon hätte sie ja im Newsletter nichts gelesen. Solche News webe ich oft eher in meine Alltagsgespräche ein, als sie im Internet zu verkünden.

Nun ja, jedenfalls: Ich habe geheiratet. Und Eltern werden wir auch. Aber das Eine nicht wegen des Anderen. Und das Andere nicht wegen des Einen. Beides einfach so. Weil es schön ist.

Warum ich all das erzähle: Meine Frau arbeitet sehr gerne, ist fantastisch in ihrem Job, und möchte ihre Assistenzzeit in der Klinik recht bald fertig haben – und ich möchte ihr das ermöglichen, weil ich mich in der Rolle als supporting act immer schon wohl gefühlt habe, und mir momentan noch nichts Schöneres vorstellen kann, als mit dem Kind zu Hause zu sein, ihm meine neu gewonnenen Montessori-Pädagogik-Erkenntnisse aufzuzwingen und wie einst mit dem Hund nun mit dem Kind durchs Viertel und die Natur zu streifen.

Warum ich all das erzähle: Weil wir uns Fragen gestellt haben. Was definieren wir als Arbeit? Warum schreiben wir dem einen so viel (finanziellen) Wert zu und dem anderen so wenig? Was macht das mit den Menschen? Warum hat die Politik keinen Bock auf eine Kindergrundsicherung, die diesen Namen verdient, ein bedingungsloses Grundeinkommen und ansatzweise entspannte Bürger:innen?

An dieser Stelle fange ich an, das Alphabet rückwärts aufzusagen, das hat meine Frau mir empfohlen, für wenn ich ins Ranten komme. Z-Y-X, dann muss ich mich nämlich darauf konzentrieren und komme schneller aus den Gedankenspiralen raus. W-V-U.

Reicht es mir, nur Papa zu sein? Warum schreibe ich da „nur“? Wer überweist mir Geld fürs Wohnung sauber halten, an meinen Triggern arbeiten, Umzug wuppen, Pädagogik-Weiterbilden, Roman schreiben und verlässlicher Partner sein? Meine Frau hat mehrfach angeboten, mir einen Ausgleich zu zahlen, weil sie es fair findet, dass ich an ihrem Gehalt beteiligt bin, wenn ich ihr mit meinen Lebensentscheidungen ihre Lebensentscheidungen mit ermögliche. Aber ich will kein Geld von ihr, ich will ein bedingungsloses GrunT-S-R-Q-P.

Wie überbrücken wir finanziell die Zeit, in der sie zu Hause ist? Warum ist als Selbstständiger mein Elterngeld so niedrig? Wie viele Aufträge hätte ich 2019 (die Corona-Jahre darf ich rausnehmen) noch annehmen sollen? Waren die weit über 150 nicht genug? War ich von den Bühnenjahren davor nicht eh schon über meinem O-N-M-Limit? Lohnt sich mein J-ob I-berhaupt?

Wenn das mit dem Alphabet nicht hilft, soll ich ganz oft 27 von 999 abziehen. Warum lädt mich kaum noch jemand zu Auftritten ein? (Diese Frage ist einfach zu beantworten: Ich präsentiere mich nicht als Künstler auf Social Media, 972, 945, 918!!!, und habe nach Corona zu wenigen Bescheid gesagt, dass ich noch auftrete.) Wie viel will ich überhaupt noch auftreten? Warum vermisse ich es nicht mehr, auf der Bühne zu stehen? Bin ich überhaupt noch ein Künstler?

Woraus ziehe ich meine Anerkennung? Einem Kinderlächeln? Lob von Kolleg:innen? Oder doch Geld? Wie fühlen sich Menschen, die wenig oder kein Geld für das bekommen, was sie leisten? Warum bleibt Care-Arbeit immer noch so, so viel öfter bei weiblich gelesenen Menschen hängen? Warum entsteht ihnen so ein Nachteil daraus, dass sie ein Leben auf die Welt bringen? 891, 864, 837. Wenn ich noch ein paar Fragen stelle, komme ich irgendwann bei meinem Elterngeldsatz an. Dauert aber noch.

Wie viel Zeit wollen wir für die reine Erwerbstätigkeit über ein Leben hinweg reservieren – und wie viel Zeit für Bildung, Pflege und Kinder? Wollen wir eine Gesellschaft weiterführen, in der es zu allererst um den Statuserhalt geht? Oder wollen wir eine Gesellschaft, die einen Lohn für Kinder, Pflege, Bildung bezahlt – der allen gleichermaßen gezahlt wird?

Hier meine nächsten Jobs, die mittelviel Kohle bringen:

– 02.10. München – DIE STÜTZEN DER GESELLSCHAFT (Zum ersten Mal seit fast vier Jahren spielen wir wieder mit voller Kapelle im Fraunhofer Theater. Meine Vorfreude ist größer als meine Gage. Karten kriegst du auf der Website des Fraunhofer.)
– 03.10. Lindenberg – DIE STÜTZEN DER GESELLSCHAFT (Krass, erst jahrelang gar nicht, dann direkt zwei Abende hintereinander. Wie ich mich auf Fee, Sven und Frank freue!)
– 13.10. Mettmann – Poetry Slam im Weltspiegel Kino
– 07.11. Kempten – AÜW kultSLAM in der kultBOX (Moderation, mit tollem Line-Up!)
– 01.12. Düsseldorf – Zwischenruf U20-Slam im zakk (Moderation)
2024 schon mal, wer weiß, wann der nächste Newsletter kommt 🙂
– 02.02. Köln – Rock’n’Read Lesebühne im Klüngelpütz
– 01.03. Wendelstein – Soloshow im casa de la trova
– 04.06. Düsseldorf – Abend mit Goldrand Lesebühne im zakk
– 07.11. Düsseldorf – Abend mit Goldrand Lesebühne im zakk (davor kommt noch ein Newsletter, versprochen!)

Bücher und Musik, die mir zuletzt Freude gemacht haben:

– „Endzeitalter“ von Tonio Schachinger. Meine Güte, zweiter Roman, zum zweiten Mal für den Buchpreis nominiert, und das zurecht. Gegenwartsliteratur nahe an der Perfektion.

– „Silent Spring“ von Rachel Carson. Zugegeben, das hat mir weniger Freude als Schmerz bereitet, aber es ist das Standardwerk über Umweltverschmutzung durch Insektizide und andere Gifte. Erschienen 1962, hochaktuell, aber zum Glück nicht mehr zu 100% – denn dieses Buch hat politisch so viel verändert wie wenige andere. Krasse Horizonterweiterung.

– „Morgen, morgen und wieder morgen“ von Gabrielle Zevin. Einfach nur großartig. 10/10.

– Musik: Mina Richman habe ich auf einem der vielen Open Air Konzerte in Düsseldorf dieses Jahr gesehen, und das Lied „Jaywalker“ seitdem so oft gehört, wie ich 2019 Auftritte hatte. „Veränderet“ von Fai Baba und „Middle Earth“ von Ceschi laufen gerade viel. Von „Nun flog Dr. Bert Rabe“ mag ich nicht nur den Bandnamen, und „What Was I Made For?“ von Billie Eilish muss ich gerade vermutlich niemandem empfehlen.

– Newsletter: Treibhauspost. Alle zwei Wochen eine sinnvolle Mail zum Thema Klimakrise. 810, 783. „Konstruktiver Klima-Journalismus“ mit Quellenangaben, Lösungsideen und Schande, wem Schande gebührt (Zugriff am 24.09.2023).

– Die Fragen im letzten Absatz habe ich von der Soziologin Jutta Allmendinger abgeschrieben. Ihr lesenswertes Interview zum Thema Arbeitszeitmodelle findest du auf der Seite der Bundeszentrale für politische Bildung (Zugriff am 24.09.2023).

Special Treat des Monats:
(nur verfügbar für Menschen, die den Newsletter abonniert haben)

Im Oktober wollen meine Frau und ich wieder beim Inktober mitmachen, da gibt es jeden Tag ein Schlagwort, zu dem man ein Bild malen muss, das man dann mit dem #inktober2023 auf Instagram postet. Weil ich nicht so gut malen kann wie sie, schreibe ich jeden Tag ein kleines Gedicht wie das oben, manchmal auch umfangreicher. Wenn du das verfolgen willst, kannst du mir auf Instagram folgen, @alex.burkhard.literatur, da verlinke oder teile ich dann auch ihre Bilder.

Oder du schaust ab und zu auf meine Website, oder du wartest auf den nächsten Newsletter, den ich wahrscheinlich als Papa schreibe. Mensch, bin ich da gespannt drauf. Und spätestens dann werde ich mir hoffentlich keine Gedanken mehr darüber machen, was meine Arbeit Wert ist. Klar, man muss irgendwie durchkommen. Aber irgendwie durchgekommen bin ich immer. Und währenddessen mag ich einfach nur Liebe geben, meiner Frau, meinem Kind, und den Menschen, denen ich begegne.

Ganz herzliche Grüße und bis bald, im Newsletter oder in live!

Dein Alex

Newsletter #4 – Liebe und Duloxetin

Juhu, endich wieder ein Newsletter!

Einen schönen Sonntag, ihr lieben Menschen in meiner Liste, die ihr ab und zu von mir lesen wollt. Mein Fenster ist offen, ich höre die Stimmen von Sonntagsspazierenden, und mir geht es sehr gut. Ich hoffe, euch auch 🙂

Als ich euch zuletzt geschrieben habe, war ich gerade auf dem Weg nach Rottweil, um dort mein Stadtschreiberstipendium anzutreten, das war Mitte September. Diese Phase war der Auftakt zu enormen Umwälzungen, die sich in mir und meinem Leben ereignet haben. Ich leide seit vielen Jahren immer wieder unter depressiven Episoden. Das ist nichts außergewöhnliches, aber dass darüber geredet wird, ist immer noch selten. Ich selbst habe die aktuelle lange Zeit unterschätzt, weil ich eine Freundin und einen Hund hatte, gut vom Schreiben und Auftreten leben konnte, und von 2011 bis 2014 schon unzählige Stunden der Psychoanalyse hinter mir hatte. Meine Therapeutin sagte damals: Das ist nie ganz „geheilt“, das kann immer mal wieder stärker werden. Es wurde zuletzt so stark, dass ich monatelang keinen Spaß mehr an Auftritten hatte, mir ständig Sorgen und meiner Freundin und mir einen dermaßenen Druck gemacht habe, dass sie nicht mehr mit mir weitermachen wollte.

Aber Alex, sagt ihr jetzt, die Einleitung war doch voll positiv, und du hast was von guten Umwälzungen geschrieben. Das stimmt. In meiner Zeit in Rottweil habe ich viel meditiert, Yoga gemacht, bin spazierengegangen. Alles, was mir vorher auch schon geholfen hat, nur konzentrierter, weil kein finanzieller Druck da war. Dazu kam nach Monaten der Wartezeit ein Therapieplatz. Ich habe für mich beschlossen, wieder mit dem Herz durch die Welt zu gehen statt nur mit dem Kopf, offen und verletzlich zu sein. – Zwei Wochen später war die Beziehung zu Ende, und der Dezember war schwer. Es überlagerten sich Depression und Liebeskummer und Stipendium und Wohnsituation, und warum ich das teile ist eine simple Erkenntnis: Ich bin nicht allein. Menschen sind da. Sie boten mir ihr ihr Zuhause an, unzählige Stunden des Telefonierens, jede Hilfe, die ich mir wünschen konnte. Als es Mitte Dezember nicht mehr ging, war von Wartezeit keine Rede mehr, und ich hatte, wieder in München, sofort Profis an meiner Seite, die dafür sorgten, dass ich nicht komplett durchdrehte. Und das ist wichtig: Depressionen und akute Lebenskrisen sind so verbreitet, und viele trauen sich nicht, sich Hilfe zu suchen. Die Hürden für einen Therapieplatz können sehr hoch wirken, und da wir ja alle permanent funktionieren müssen, trauen wir uns nicht, unseren Freund*innen zu erzählen, wenn es wirklich schlimm ist. Die haben ja selbst so viel Stress, sagen wir uns, und besprechen alles mit uns selbst. Solltet ihr jemals in eine Situation kommen, in der ihr das Gefühl habt, das alleine nicht mehr schaffen zu können: Holt euch Hilfe. Vertraut euch euren Mitmenschen an, und ruft einen Krisendienst an. Das System in Deutschland ist nicht ideal, aber die Menschen in ihm versuchen alles, um euch zu helfen. In München ganz konkret: die Arche e.V. Ich habe angerufen, hatte am selben Abend einen Termin mit einer Psychologin und den Namen einer Psychiaterin für den nächsten Morgen.

Kurzer Witz, damit es nicht zu schwer wird: Was ist grün und fliegt durch den Weltraum?

Ein Salatellit.

Ich stand im Bad eines Freundes und dachte: Klar, ich habe voll Liebeskummer, aber ich nehme doch jetzt keine Antidepressiva. Ich hatte Angst vor der Liste mit den Nebenwirkungen, dass sie mich stumpf machen. So schlimm geht es mir nicht, dachte ich, dass ich anfange, Tabletten zu nehmen. Es stellte sich heraus: doch. Es ist keine hohe Dosierung, aber sie helfen mir, einen Nährboden zu schaffen für alles, was ich so vorhatte: Verarbeiten, Trauern, das schöne neu Gefundene weiterentwickeln, wieder wo anzukommen, loszulassen. Ich habe nie ein Problem damit gehabt, Menschen zu sagen, dass ich Depressionen hatte (habe), ich bin so interessiert an der Psyche, ich weiß, dass niemand etwas dafür kann, dass er oder sie psychische Probleme hat, und trotzdem hatte ich immer diese Stimme im Kopf, die sagte: Ach was, du hattest doch ne Therapie, warum noch eine? Ach komm, Medikamente? Alter, jetzt stell dich nicht so an! Ich finde es beängstigend, wie stark selbst in mir psychische Erkrankungen stigmatisiert sind, wie ich mich geschämt habe, dass ich es alleine nicht mehr geschafft habe. Alle anderen machen einfach weiter, dachte ich, holen sich den nächsten Partner, machen ihren Job, schauen Netflix. Warum kriegst du es nicht hin? So denke ich nicht mehr, aber vor allem deshalb, weil ich anerkannt habe, wer ich bin und wer nicht, was ich schaffe und was nicht, und mir Hilfe geholt habe, als ich sie brauchte. Und genau das nicht mehr als Schwäche angesehen habe. Außerdem habe ich mir sagen lassen, dass es viele andere auch nicht „hinkriegen“. Sie haben nur Angst davor, was passiert, wenn sie wirklich hinschauen. Und das verstehe ich. Es ist beängstigend, traurig, hart. Aber es lohnt sich: Ich habe mich – und das schreibe ich knappe drei Monate nach einer aus unterschiedlichen Gründen wirklich, wirklich traurigen Trennung – in meinem Leben noch nie so gut gefühlt wie gerade. Ich war noch nie so im Einklang mit dem, wer ich bin. Die Entscheidung, Liebe und Vertrauen zu wählen, nachdem mein Kopf zwanzig Jahre lang gesagt hat: du musst Angst haben, alles geht irgendwann kaputt, misstraue, mach dir Sorgen um deine Zukunft, du bist wertlos, du bist unattraktiv, diese Entscheidung ist befreiender als alles, was ich mir hätte vorstellen können. Selbstliebe, Leute. Nicht Eitelkeit, klar. Wirkliche, ehrliche Selbstliebe, ein sich selbst Annehmen wie man ist – es ist der Wahnsinn. Ich hoffe, ihr wisst das eh schon <3

Zusammenfassend: Ich lebe wieder in München, habe Lust auf die Auftritte der nächste Wochen, meditiere, lese, mache Yoga, ein Coaching, Therapie, weine, lache und habe erstmals seit ich mich erinnern kann keine Angst vor der Zukunft. Es geht sich alles aus. Und jeder Mensch ist vollkommen. Nicht perfekt. Aber vollkommen. Dir fehlt nichts. Du bist nicht falsch. Ceterum censeo Carthaginem esse delendam.

Das waren schon viele News, aber jetzt vielleicht einige andere:

– Mein aktuelles Buch „Was ich ihr nicht schreibe“ gibt es mittlerweile auch als Hörbuch, komplett eingelesen von mir. Angeblich habe ich eine schöne Stimme. Hört es euch an!

– Ich würde gerne in den nächsten Wochen und Monaten einige Wohnzimmerlesungen machen. Ich habe damit in Rottweil angefangen, und es hat so viel Spaß gemacht, und war so viel näher und persönlicher, als auf einer großen Bühne zu stehen. Und es passt viel besser zu meinem aktuellen Buch. Wie sieht das Ganze aus? Ihr habt ein Wohnzimmer, in das 20-50 Menschen passen, ladet 20-50 Menschen ein, ich lese eine gute Stunde aus dem Buch, und dann reden wir über die Texte oder das Leben oder worüber wir reden wollen. Ich habe eine BahnCard100 und brauche maximal ein Sofa irgendwo. Wir lassen einen Hut rumgehen, ansonsten brauche ich nichts. Warum ich das mache? Es gibt Auftritte, die mir mein Einkommen bescheren, und es gibt Auftritte, die ich machen möchte. Und ich möchte euch gerne kennenlernen, die Menschen, die euch wichtig sind. Ich habe festgestellt, wie viel mehr Spaß mir eine persönliche Lesung macht als ein Kabarett-Solo vor einem dunklen Raum zu spielen. Ich werde nie derjenige sein, der die O2-World ausverkauft, weil er so geil lustig ist. Ich bin derjenige, der versucht, im kleinen die Menschen zu berühren und mit einer halbwegs sinnvollen Message und Haltung durchs Leben zu gehen. Da fühle ich mich wohl, und das möchte ich mit euch teilen. Ich kann natürlich nicht versprechen, dass ich alle Einladungen annehmen kann, aber das soll euch nie davon abhalten, zu fragen. Je München, desto besser. Ich freue mich!

– Meinem Hund Ibsen, weil viele von euch gefragt haben, geht es hervorragend. Er ist seit einem knappen Jahr bei seinen neuen Menschen, und fühlt sich dort extrem wohl. Es tut ihm gut, nicht mehr alle zwei Wochen zwischen mir und Hundesittern zu pendeln, weil ich dauernd weg bin. Er ist ausgeglichen, und immer, wenn ich mit ihm spazieren bin, denke ich, was für eine gute Entscheidung das war, ihm diesen neuen Ort zu schaffen. Ich bin oft traurig, dass ich ihn nach neun Jahren weggegeben habe, aber es war die richtige Entscheidung für ihn, und das ist mehr Wert als mein Ego, das mir deshalb ein schlechtes Gewissen machen möchte. Trotzdem schreibe ich noch „mein Hund Ibsen“ <3

Kunst, die ich in den letzten Monaten bemerkenswert fand:

– Die Biografie von Trevor Noah, einem Late-Night-Host, fand ich stark. Sie heißt „Born a Crime“ und handelt von seinem Aufwachsen in Südafrika. Wahnsinnig authentisch und informativ, klare Empfehlung.

– Emily Pine hat „Notes to Self“ geschrieben, eine Sammlung von fünf oder sechs persönlichen Essays (meine Ausgabe ist noch in einer Kiste). Besonders eindrücklich ist die Geschichte, in der sie und ihr Partner versuchen, ein Kind zu bekommen. Was es mit ihr macht, als das nicht klappt. Welche Gefühle sie gegenüber ihrer Schwester entwickelt, die wieder schwanger ist. In welche Richtung die Vorwürfe gehen und wie sie schließlich irgendwo ankommt, wo sie alles halbwegs akzeptieren kann. Ich mag einfach diesen persönlichen Essaystil sehr gerne, was ihr an meinem neuen Buch vielleicht schon gemerkt habt.

– „My Absolute Darling“ von Gabriel Tallent lese ich gerade und bin sehr bewegt. Auf Englisch hatte ich die ersten Seiten noch Probleme mit dem krassen Wortschatz, aber habe mich daran gewöhnt. Das Buch handelt von einer 14-Jährigen, die in Nordkalifornien mit ihrem Vater aufwächst, der sie psychischer und teilweise auch physischer Gewalt aussetzt. Es ist so eindringlich aus der Perspektive des Mädchens geschrieben, ihre Gedanken zu ihrer Situation sind wahnsinnig fein herausgearbeitet: Das sich selbst Schuld geben, der Widerstand, die Verbundenheit zu ihrem Vater. Ich habe immer noch nicht herausgefunden, wo das Buch endet, weil alles von ihr gleichzeitig als normal und aushaltbar und als schrecklich beschrieben wird. Extrem einfühlend erzählt.

– „Paris, Texas“ kennt ihr vermutlich, ein Film von Wim Wenders. Ich habe in Rottweil viel nachgeholt an klassischen Filmen, die ich nie gesehen habe. „Casablanca“, „La dolce vita“, „Ein Fisch namens Wanda“, „Chinatown“!!, und eben „Paris, Texas“. Ich mag es, wenn ich vorher nicht weiß, was mich erwartet, und dann weggeflasht werde von der Bildgewalt und der Sprache eines Films. Ich möchte gar nicht viel verraten, aber diese lange Dialog- und die Schlussszene – Alter! Anschauen!

– Eine Freundin hat mir zu Neujahr das Versprechen abgenommen, dass ich nicht den ganzen Tag an mir arbeite und meditiere und meine Persönlichkeit entwickle, sondern auch mal Netflix schaue. Das habe ich bisher so gut wie nie gemacht, aber ja, leider geil. Meine erste Serie war „Atypical“, die Coming-of-Age-Geschichte von Sam, einem autistischen 18-Jährigen. Toll geschrieben, cooler Plot über mittlerweile drei Staffeln, und wirklich liebevoll. „The essence of anyone is the one thing that stays true about them in any situation.“ Word. So ungefähr würde ich eine Serie schreiben wollen, wenn ich eine Serie schreiben könnte.

Auftritte in den nächsten Wochen:

– Morgen Abend: Best of Poetry Slam in Hamburg, Ernst Deutsch-Theater. Der erste Slam mit Simultanübersetzung für Gehörlose. Ich habe meine Texte („bitte keine Wortspiele“) im Voraus geschickt und freue mich, live mit Gebärdendolmetscherin aufzutreten. Das wird bestimmt eine tolle Erfahrung. Der Slam ist ausverkauft, aber falls du zufällig in Hamburg wohnst und kommen möchtest, schreib mir – vielleicht kriege ich noch eine Gästekarte organisiert!

– Kommenden Mittwoch, am 29.01., sind wir mit den „Stützen der Gesellschaft“ in der Lach und Schieß. Es gibt noch einige Karten, und ich freu mich, wenn wir uns bei meiner Lieblingslesebühne sehen. Und so oft werde ich den König-Ludwig-Text in München nicht mehr live machen 😉 (Nächster Termin: 03.03.)

– Falls ihr kommende Woche nicht könnt, dann vielleicht nächste? 05.02., Stützen der Gesellschaft in der Monacensia. Das Archiv der Münchner Schriftsteller*innen bietet uns fortan zwei Mal pro Jahr einen Raum für ein Gastspiel. Und die Kooperation macht Sinn: Wir stellen in eh in jeder Show Münchner Künstler*innen vor, warum also nicht dort, wo ihr Andenken aufbewahrt und hochgehalten wird? In jeder Show werden wir einen runden Geburtstag oder Todestag begehen, in dem wir extra einen neuen Text schreiben – in diesem Fall beschäftigt sich der tolle Frank Klötgen mit Annette Kolb. Es wird alles salonmäßiger bei uns dieses Jahr, darauf freue ich mich. (Nächster Termin: 01.07.)

– Am 07.03. findet in Lindenberg der nächste Slam statt, nur dass es kein Slam ist, sondern eine Show. Katrin Freiburghaus kommt und liest und singt (auch ein oder zwei Lieder mit mir!), Marius Loy und Nik Salsflausen kommen und lesen und singen (sie haben eine Band, mit Geige!). Plus Nuria Glasauer, eine junge Poetin, die am Literaturinstitut Leipzig studiert und jetzt schon besser ist als ich, dabei war sie mal meine Workshopschülerin. Das wird eine tolle Runde!

– Im März bin nich bei der Buchmesse in Leipzig, mit einer Lesung auf der Leseinsel der unabhängigen Verlage. Außerdem bin ich beim Gipfeltreffen G3 und beim Buchmessenslam, jeweils im Schauspielhaus, dabei.

Weitere Termine gibt es auf meiner Website.

Was sonst noch wichtig ist:

Ich habe in München gerade ein schönes Zimmer in einer fantastischen Wohnung. Es ist der perfekte Ort, um wieder in München anzukommen. Allerdings geht das nur bis maximal Ende Mai. Wenn ihr also, liebe Münchnerinnen und Münchner, von einer Wohnung hört, die irgendwann im Laufe des Frühjahrs frei wird: Lasst es mich bitte wissen. 2-3 Zimmer, maximal 1.200 mit allem (schönen Gruß an alle, die nicht in München suchen müssen), innerhalb des mittleren Rings. Altbau, Stuck, Balkon, Badewanne und Baum vor dem Fenster sind fakultativ.
Solltet ihr mir wo anders hinlocken wollen, könnt ihr euer Glück auch gerne versuchen. Ich bin zum Beispiel auch sehr offen für Häuser in den schwedischen Schären, falls ihr gerade eins günstig abzugeben habt.

Specal Treat des Monats:
(nur verfügbar für Menschen, die den Newsletter abonniert haben)

Ich hoffe sehr, dass euch diese Nachricht nicht erschlagen hat. Ich habe für mich festgestellt, dass es nicht meine Aufgabe ist, die Welt im Alleingang zu retten, indem ich verpackungsfrei einkaufe. Das tue ich, wo es geht, aber wenn es nicht geht, geht es nicht, ohne dass ich zusammenbreche. Ich glaube, wo ich die Welt ein bisschen besser machen kann, ist vor allem in meiner Kunst. Dass ich gut bin, authentisch, persönlich. Dass ich die Menschen mit Storys über mich abhole und versuche, mit diesen Geschichten etwas in ihnen zu bewegen, das sie in diesem Moment gerade bereit sind zu bewegen. Deshalb die Hauslesungen, deshalb der Stil des neuen Buchs und deshalb auch die Art, den Newsletter zu schreiben. Ich verstehe, wenn das für den einen oder die andere vielleicht nicht das ist, was ihr euch vorgestellt habt, als ihr ihn abonniert habt. In dem Fall schreibt mir einfach, dann nehme ich euch wieder raus. No hard feelings whatsoever <3

Ihr Lieben, habt einen schönen Sonntag und einen guten Start in die Woche. Schreibt mir, wenn ihr euch danach fühlt, ladet mich ein, lest und hört mein Zeug an. Lasst die Kunst (nicht nur meine) euch bewegen, vertraut euch und wählt jeden Tag wieder die Liebe, denn sie ist viel schöner als die Angst.

Nur das beste für euch!
Alex