Abschiedsrede als Rottweiler Stadtschreiber

Ich war ein schlechter Stadtschreiber.

Von den 84 Tagen zwischen meiner Begrüßung und meiner Verabschiedung war ich nur an 22 Tagen komplett da.

Ich habe nur einen der drei vorgesehen Schulworkshops leiten können.

Ich habe zwei Hauslesungen absagen müssen und habe viele weitere gar nicht angenommen.

Ich war nicht im Dominikanermuseum und nicht im Forum Kunst.

Ich war nicht auf dem Weihnachtsmarkt bin auch den Testturm für Korkenzieher nicht hochgefahren.

Ich bin in der Pause von Nathan der Weise gegangen, weil ich noch mit meiner Freundin telefonieren wollte. Die Quittung dafür habe ich am nächsten Marktsamstag bekommen, als mich drei Leute fragten, was da los gewesen sei.

Ich habe ganz wenig über Rottweil gesprochen und geschrieben, obwohl ich schon nach zwei Tagen gemerkt habe, dass das das schlimmste ist, was man einem Rottweiler antun kann.

Sogar diese Rede habe ich erst heute Vormittag verfasst. Auch wenn sie schon lange in mir war.

Ich wurde gut aufgenommen. Ich habe einen Konviktspulli geschenkt bekommen und einen neuen Bildband über Rottweil, der alles, was hinter der Hochbrücke kommt, als „um Rottweil herum“ beschreibt. Und ich habe in meinen ersten zwei Tagen hier so viele Superlative über Rottweil um die Ohren gehauen bekommen, dass ich selbst gar keine mehr entdecken konnte. Aber ich habe mich bemüht und ein paar gefunden, die in keiner Bürgermeisterrede und keinem Bildband erwähnt sind. Rottweil hat

  • die höchste Dichte an ungenutzten Dachgauben nördlich von Bern
  • das möglicherweise trichterförmigste Gleisbett Süddeutschlands
  • die verschworenste und am Elitärsten sich gebärende Saunagemeinschaft der Welt
  • die höchste Zebrastreifendichte in einem Stadtzentrum nördlich von Gaborone
  • die zentraleuropäischsten Städtepartnerschaften im deutschsprachigen Raum
  • das größte Altstadt-vs.-mittelalterliche-Stadt-Verwirrpotenzial Deutschlands
  • die höchste Frequenz der Erwähnung der eigenen Superlative nach Zlatan Ibrahimovic

Eine Bekannte erzählte mir gestern, dass sie sich auch nach einem halben Jahrhundert in Rottweil noch als Neigschmeckte sieht und gesehen wird. Und ihr werdet am nächsten Marktsamstag darüber reden, wer das wohl war. Auch ich bin in den drei Monaten kein Rottweiler geworden. Ich wurde in den seltensten Fällen mit meinem Namen angesprochen, sondern stets nur mit „Ach, das ist doch der Stadtschreiber“. Also habe ich es gar nicht groß versucht, sondern viel mehr von außen auf die Stadt geschaut, ganz wörtlich: Ich war auf dem Oberhohenberg, bin um Dietingen gelaufen und bis nach Schwenningen, bin permanent im Neckartal und in der Au unterwegs gewesen. Ich habe das gemacht, was ich zu Hause auch mache, was vielleicht das größte Kompliment ist, das ich einer Stadt machen kann.

Ungefähr nach der Hälfte der Zeit hier hat meine Freundin Schluss gemacht. Rückblickend hätte ich Nathan der Weise also zu Ende schauen können. Die ersten vier Wochen, in denen ich fast durchgehend hier war, haben ihr klar gemacht, wie wenig sie es vermisst, nach Hause zu kommen zu jemandem, dem es lange Zeit des Jahres absolut nicht gut ging. Und der das leider zu oft an der Beziehung rausgelassen hat. Wie schwer es oft war, eine Verbindung zueinander zu finden, wenn ich nur am Wochenende daheim war. Dabei ging es mir zu diesem Zeitpunkt schon gar nicht mehr so schlecht. Denn die ersten vier Wochen, in denen ich fast durchgehend hier war, haben mir klar gemacht, wie wenig ich es vermisse, permanent unter Stress zu stehen, mir selbst unmenschlich viel Druck zu machen. Die Spaziergänge und die hier erlebte Wertschätzung für meine Kunst haben einiges in mir in Gang gebracht, das sich jahrelang nicht zeigen durfte. Ich war ein schlechter Stadtschreiber, vielleicht, aber ich war ein guter Stadtlerner. Ich habe in den letzten drei Monaten gelernt, was für ein Mensch ich sein möchte, was mir wirklich wichtig ist, wo ich künstlerisch hin möchte, ich habe mein schönes, verletztes Inneres erforscht, habe mir erlaubt zu fühlen, statt immer nur zu denken, ich habe mich in einen Zustand der bedingungslosen Liebe hineinmeditiert und meine Umwelt derart in positive Schwingung versetzt, dass mir das Konvikt einen unbefristeten Vertrag als Maskottchen angeboten hat.

Überhaupt das Konvikt. Als ich vor zwei Wochen für die letzte Phase nach Rottweil gekommen bin, nach drei Wochen Abwesenheit, in denen ich von einer Couch zur nächsten gezogen bin, versucht habe, meine Trauer zuzulassen, gleichzeitig meinen neuen, positiven Weg weiterzugehen, mir klar zu werden, wo es weitergehen soll, eine neue Wohnung zu finden, in denen ich Auftritte hatte, mit meiner einstigen Freundin gesprochen und geweint habe – als ich also vor zwei Wochen wiederkam, in mein Zimmer, dachte ich: Wie schön, dass es sich hier immer noch vertraut anfühlt.

Ich möchte niemanden aus dem Personal hervorheben, denn sie alle haben mir vom ersten Moment nichts als Zuneigung und Verständnis entgegengebracht und dafür danke ich ihnen.

Genauso wie allen anderen, denen ich die letzten drei Monate begegnet bin. Ob Yogalehrerin, Stadtführer, Kulturamtsmenschen, Kabarett-Rentner, Apothekerin, Schreibwerkstattheldinnen, Taxifahrer aus Balingen (long story) und so viele Zuhörende in den Wohnzimmern und im Schwarzen Lamm. Die Stadt war nett, die Menschen in der Stadt waren wundervoll.

Nicht zuletzt ein Dankeschön an alle Schülerinnen und Schüler im Konvikt, mit denen ich Essensraum, Bowlingbahn und teilweise das Bad geteilt habe. Alle, mit denen ich ins Gespräch gekommen bin, sind warme, liebevolle, unsichere, aber so wertvolle Menschen. Ich wünsche ihnen allen, dass sie das in ihrem Leben noch oft gesagt und gezeigt bekommen, vielleicht auch ab und zu von sich selbst.

Mein Vorgänger Thomas Perle hat im September gesagt, dass ich viel über mich lernen würde. Das stimmt. Er hat mir auch gesteckt, dass im Konvikt auf den Zimmern geheime Rap-Battles stattfinden. Ob das stimmt, fragt ihr mich jetzt?

Was hier im Konvikt passiert, das bleibt im Konvikt
Bruder, was hier abgeht, das ist heiß wie Pommes frittes,
doch das schreib ich nicht mit. „Ein Beweis wär schon schick!“
Also gut, dann wirst du jetzt auf eine Reise geschickt!

Oberhalb des Neckars und von Mauern geschützt
lebt eine Gemeinschaft, die Vertrauen benützt
„Das heißt benutzt“ Ist egal Mann, fiel mir grade nicht ein
An manchen Tagen fühlst du dich hier fahl und allein
Doch wir sind ne Familie wie beim Paten, kapiert?
Uns’re Trinkgewohnheit ha’m wir von Piraten kopiert
Sprich sehr wenig, nur am Wochenend‘ in Maßen das Bier
Wir ha’m uns das nicht ausgesucht, doch jetzt sind wir hier.

Von der Fünften bis zur Zwölften, aus B/W und der Schweiz
haben wir fast alle Lebensformen dabei
Und beherrschst du nicht alles, was ein Rausschmeißer kann
Leg dich lieber nicht mit uns’rem Hausmeister an

Die Wände sind so dünn, dass ich alles hier hör
und gleichzeitig zu dick für normales Wlan, ich schwör
Wenn du glaubst, der Router schafft das, ja dann kennsch ’n schlecht
Ich geh nach Genf, Digger, Internet ist Menschenrecht

Du find’st dein bürgerliches Leben tough?
Du fühlst dich fehl am Platz, wenn du dir Pläne machst
und es im Urlaub einfach wieder nicht nach Schweden schaffst
Aufsteh’n musst du meistens schon um zehn nach acht
Bitte verzeih mir, dass ich über deine Rede lach
Dass du nicht weißt, was hart ist, habe ich mir eh gedacht
Du bist Tagesschüler, ich verbring hier jede Nacht!
Heut bin ich jäh erwacht, dabei war es ein guter Traum
Ich war Besitzer eines Schlüssels zum Computerraum

Wenn du nachts rausmusst, machst du Licht, du bist nicht tight, Digger. Mann:
Wenn ich aufs Klo muss schaut mich aus dem Dunst ein Heiliger an
so eilig ich kann geh ich vorbei, will nicht stören
Du bist auch mutig? Ich kann dich nicht hören.
Du duschst bei Mutti. Ich dusche mit Sören!

Alter, wir leben in verschiedenen Welten
wie Delfine und Welpen
oder Diebe und Elfen
Deine Family isst auswärts, geht ins Restaurong
Ich steh im Speisesaal und warte auf den Essensgong
Und nachdem ich hier die Spannkraft meines Bauchs entdecke
Geht es erstmal ganz gediegen in die Raucherecke
Du hast Angst, dass ich mal an diesem Brauch verrecke
und nach Jauche schmecke?
Du hast Angst, dass sich irgendwann die Drogen rächen?
Du kannst gerne mal mit meinem Pädagogen sprechen

Du bist stylisch, weil du dir ein rosa Polo kaufst?
Internats-Style – ich trage Bordeaux, du Lauch

Also, so würde ich das machen … Aber ich war nie eingeladen …

Ich habe keinen lobpreisenden Text über Rottweil geschrieben. Vielleicht gerade weil ich hier einfach gelebt habe, aufgehört habe, alles analysieren zu wollen. Angefangen habe, loszulassen. Ich habe von Rottweil definitiv mehr bekommen als Rottweil von mir bekommen hat.

Ich kann euch also nicht mit einem Gedicht über die Hochbrücke nach Hause schicken oder einem Krimi, der in den nebligen Winkeln um die Kapellenkirche herum spielt. Doch über alles, was ihr in Zukunft von mir hört – „Er hat endlich nen Roman geschrieben“, „Hier der neue Film, den du so gut findest: Das Drehbuch ist von ihm“, „Hast du gehört, der Alex wurde mit nem Kilo Kokain an der kolumbianischen Grenze erwischt“ – über alles, was meine Zukunft bringt, könntet ihr sagen: „Ohne Rottweil wäre das nicht passiert.“ Und ihr hättet recht. Und vielleicht macht mich das doch zu einem würdigen Stadtschreiber.

Danke für die schöne Zeit.

Newsletter #3 – Wherever you go

Liebe Interessierte,

zunächst möchte ich die vielen Freiburgerinnen und Freiburger, die Menschen aus Wangen, Rottweil und Lindenberg in unserer Mitte begrüßen. Herzlich willkommen, schön, dass ihr mitlest!

Ich schreibe diese Mail von meinem Schreibtisch in Rottweil, wo ich seit Dienstag als Stadtschreiber tätig bin. „Was macht man als Stadtschreiber?“, wurde ich in den Interviews vorher und bei der Begrüßung gefragt, und meine Antwort ist: „Lernen.“ Und vielleicht ein bisschen was schreiben. Und mich mit dem Ort beschäftigen, an dem ich jetzt drei Monate lang mit kleinen Unterbrechungen leben werde.

Mit zwei anderen Orten habe ich mich das ganze Jahr schon beschäftigt: Mit dem übervollen München und ob meine Freundin Anja und ich dort bleiben können und wollen, und mit der neuen Wohnung in Esslingen, unter der Tag (Eisdiele) und Nacht (Guys-Spiele) Betrieb ist. Die Wohnung ist wunderschön, aber Fachwerk ist nicht für Menschen über 1,75m gemacht. Esslingen ist wunderschön, aber nicht für linksintellektuelle Literaten gemacht. Aus zehn Jahren München habe ich mich rausgerissen, nach sechs Monaten Esslingen bin ich nicht angekommen: Ich fühlte mich zuletzt sehr oft, als wäre ich am falschen Ort.
Dann hörte ich eine Folge des Mountain Goats-Podcasts, den ich das letzte Mal empfohlen habe, und John Darnielle, Joseph Fink und Amanda Palmer unterhielten sich über Orte. „A place is not good or bad, a place is who you were when you went there“, sagte Joseph Fink, und John Darnielle ergänzte: „There is no place that you can live that isn’t awesome if you are willing to invest yourself in it and find out what’s awesome.“ Der Gedanke, dass man sein Leben komplett reparieren kann, wenn man nur da und dort hinzieht, funktioniert nicht, „because wherever you go, there you are.“ Wenn ich nur München mit seinen aggressiven Autos, den vollen U-Bahnen und der Wiesn hinter mir ließe, würde alles gut werden, redete ich mir die letzten Jahre oft ein. Doch lärmende Fußgänger, ausfallende S-Bahnen und der Wasen sind auch nicht besser. Es liegt an mir und meiner Bereitschaft, dass ich mich schwer auf Orte einlassen konnte.

Letzte Woche waren wir in Esslingen erstmals (!) mit zwei Freund*innen in einer Bar. Ich könnte anführen, dass es nicht wahnsinnig viele entspannte Bars in Esslingen gibt, oder dass die drei Menschen, die wir hier kennen, selten Zeit haben, aber das wären Ausflüchte: Ich wollte es hier bisher oftmals nicht schön finden. Einen Tag später bin ich 30 Kilometer durch die Wälder und Streuobstwiesen spaziert und bei Göppingen wieder in den Zug zurück gestiegen. Ich war völlig fertig, aber glücklich über die Farben und Geräusche und Tiere. Den Muskelkater habe ich mir am nächsten Tag wegmassieren lassen, weil ich von meinem Freund Philipp Herold gelernt habe, dass wir achtgeben müssen, dass unser Körper das alles mitmacht: „Du bist 31 und reist das ganze Jahr in unbequemen Schalensitzen durch das Land und sitzt am Schreibtisch. Gönn dir regelmäßig eine Massage!“ München hat viele Bars und das Vereinsheim vermisse ich wirklich sehr. Man ist auch dort recht schnell im Grünen, und kann sich massieren lassen. Genauso wie in Freiburg oder Wangen oder Lindenberg. Diese Dinge sind nicht Kennzeichen eines bestimmten Ortes, sondern einer Haltung, eines Achtens darauf, was einem guttut und wie man seine Tage verbringen möchte.

An meinem zweiten Tag in Rottweil bin ich sechs Stunden spazieren gegangen, ein Besucher des Empfangs bot mir an, mir die Bars der Stadt zu zeigen, und nach einem weiteren Tag hatte mir eine Yogalehrerin einen Platz in ihrem Kurs angeboten. Es geht schnell, wenn man es zulässt. Natürlich ist es okay, dass ich meine Freundinnen und Freunde in München unheimlich vermisse. Natürlich fehlt mir mein Hund Ibsen, der in München bei fantastischen Menschen geblieben ist, sehr. Natürlich ist die künstlerische Grundatmosphäre in meinen Kreisen in München etwas, das mir gut tun würde. Aber so lange ich wo anders bin, kann ich genauso gut das, was mir wichtig ist, an diesen Orten suchen!


Tatsächliche Neuigkeiten im Neuigkeitenbrief:

– Meine geliebte Münchner Lesebühne „Die Stützen der Gesellschaft“ wird ab 2020 in der Lach- und Schießgesellschaft stattfinden, worauf ich mich sehr freue. Außerdem werden wir pro Jahr zwei Gastspiele in der Monacensia haben. Alles neu also, nur die Besetzung nicht: Frank Klötgen, Sven Kemmler, Fee und Katrin Freiburghaus. Und ich.

– Halbneu: Auf YouTube gibt es jetzt eine Playlist mit allen Liedern der ersten EP meiner Band „The Baby and the Dog“. Sogar mit den jeweiligen Lyrics. Und zwar hier: The Bookstore Is Closed. Weiterhin poste ich jede Woche ein Video eines Texts aus meinem neuen Buch, also abonniert den Kanal gerne, falls ihr ein YouTube-Konto habt.

– Diese Woche erschien das erwähnte neue Buch, „Was ich ihr nicht schreibe“. Es ist superschön geworden! Gerade die zweite Hälfte des Buchs mit vielen Texten in einem persönlichen nonfictional style gefällt mir supergut. Einen der neuen Texte könnt ihr euch hier direkt anschauen, für einen kleinen Eindruck.
Das Buch könnt ihr beim Satyr Verlag bestellen oder bei meiner Münchner Lieblingsbuchhandlung, die es auch gerne verschickt. Oder in jeder anderen Buchhandlung. Oder bei mir in einer Antwort auf diese Mail, dann schreib ich euch auch was rein!


Kunst, an der ich in den letzten Wochen Freude hatte:

– „Alte Sorten“ von Ewald Arenz (Dumont Verlag); eine 17-Jährige haut aus der Klinik ab und trifft auf eine 59-Jährige und ihren Hof in Mainfranken. Die Art, wie sich die Beziehung der beiden entwickelt, erinnert mich an meinen Lieblingsfilm Nothing Personal; hier geht es um Wein, Birnen, die Vergangenheit, körperliche Arbeit und Vertrauen. Arenz kommt mit sehr wenigen Figuren aus und hat einen der ersten Romane geschrieben, in dem das Thema psychische Krankheit zwar einmal erwähnt, aber nicht stigmatisiert wird. Es geht um die beiden Menschen, ganz wenig um irgendwelche Etiketten. Das macht das Buch sehr lesenswert und wertvoll, wie ich finde.

– „Scheize. Liebe. Sehnsucht“, eine Ausstellung von Ragnar Kjartansson, die noch bis Mitte Oktober im Kunstmuseum Stuttgart läuft. Ragnar ist ein isländischer Performance-Künstler, und seine Videoinstallationen und seine Musik sind so tiefgehend und schön, dass ich seit drei Wochen jeden Tag die Verse im Kopf habe. Beim Wandern um Esslingen habe ich gefühlte sechs Stunden immer wieder „There are stars exploding around you / and there’s nothing, nothing you can do“ gesungen. Ragnar setzt auf Wiederholung und ultralange Performances. Die Installation „The Visitors“, in der eine Gruppe Musiker*innen aus Reykjavík in unterschiedlichen Räumen einer riesigen Villa steht und gemeinsam ein Lied spielt, dauert über eine Stunde, und meine Freundin Anja und ich saßen in dem Raum und haben sie fast zwei Mal angeschaut, weil sie uns (vor allem mich, glaube ich) so in ihren Bann gezogen hat. Ich werde auf jeden Fall noch mal rein, weil wir nur eine der drei Etagen geschafft haben beim ersten Besuch. Es gibt noch eine 6-Stunden-Installation, in der er und die Band The National im MoMA immer wieder deren Lied „Sorrow“ spielen. 6 Stunden, das selbe Lied. Mal schauen, wie lange ich da drinsitzen werde. Aber Wiederholung ist unheimlich meditativ und befreit. Solltet ihr demnächst in Stuttgart sein oder Umstiegszeit haben oder einfach Bock auf Kunst haben, schaut euch die Ausstellung an! Für alle anderen gibt es hier einen okayen Mitschnitt von „The Visitors“ auf YouTube. „Once again I fall into my feminine ways …“

– Anja hat mir letztens einen Film gezeigt, den ich bis dato noch nie gesehen hatte. „Star Wars“. Keine Ahnung, ob euch das was sagt. Zukunftsdystopie mit ein paar Held*innen und komischen Weltraumwesen. Ganz witzig.


Bühnen, die ich in den nächsten Wochen bespielen darf:

– Am 27.09. ist Slam in Wiesloch. Ja.
– Am 14.10. lese ich in Lindenberg aus „Was ich ihr nicht schreibe“, und zwar in der Buchhandlung Netzer.
– Am 15.10. sind das nächste Mal Die Stützen der Gesellschaft mit meiner Beteiligung, und eine der letzten Shows im Fraunhofer Theater. Karten gibt es beim Fraunhofer Theater oder an der Abendkasse, ebendort.
– Am 18. (abends) und 19.10. (vormittags) bin ich in diversen Auftritten bei der Frankfurter Buchmesse vertreten, außerdem hänge ich am Satyr-Stand rum. Besucht mich 🙂
– Am 19. und 20.10. schließlich die letzten beiden Ausgaben meines Kabarett-Programms „Man kennt das ja“, in Norden und St. Ingbert. Falls ihr eine kleine Reise machen wollt. Oder jemanden kennt, der oder die dort lebt.
– Am 24.10. lese ich im Schwarzen Lamm in Rottweil aus „Was ich ihr nicht schreibe“.


Special Treat des Monats:

(nur verfügbar für Menschen, die den Newsletter abonniert haben)

Wie immer freue ich mich über Antworten, Anregungen, Geldspenden und Liebe. Ich wünsche euch einen schönen Beginn des Herbsts, viele Pilze und eine ausgeglichene Zeit. Und vergesst nicht: Wherever you go, there you are.

Bis zum nächsten Mal,
Alex

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Newsletter #2 – Ibsen und Robert Lewandowski

Liebe Lesende,

hier kommt, aus der Frische des Esslinger Fachwerknebels, die zweite Ausgabe meines Newsletters. Vielen Dank für die vielen positiven Reaktionen und Antworten auf die erste Ausgabe, das hat mich mit großer Freude erfüllt.

Vor einigen Minuten habe ich die endgültige Fassung meines neuen Buchs abgegeben, das mich die letzten Monate begleitet hat. Es war extrem schön und extrem anstrengend, es fertigzustellen: Anstrengend, weil, na ja, ein Buch schreiben, aber auch schön, weil ich die letzten Wochen wirklich daran gearbeitet habe. Ich habe mich morgens hingesetzt, an einzelnen Texten gefeilt, neue Texte geschrieben, mir Feedback geholt, das eingearbeitet. Fast kein Text ist so im Buch, wie ich ihn auf der Bühne gelesen habe, und einige Texte im Buch habe ich noch nie vorgelesen, so neu sind sie. Die letzte große Entscheidung war, drei englische Gedichte rauszuwerfen, die ich sehr mag, die aber nicht so gut reingepasst haben wie andere Texte. Kill your darlings. Es sind trotzdem 192 Seiten geworden statt der geplanten 160, und es kostet trotzdem nicht mehr als geplant. Verrückt.

Was ich im ersten Newsletter nicht geschrieben habe: Mein Hund Ibsen ist nicht mit uns nach Esslingen gekommen. Er wohnt bei seinen bisherigen Hundesittern in einem Haus mit Garten am Waldrand (a farm upstate) und ist, ich war im Juni zwei Mal mit ihm spazieren, so ausgeglichen und entspannt, wie er es in der Zeit bei mir selten war. Wahrscheinlich weil ich es selten war. Die Entscheidung, ihn abzugeben, war wohl eine der schwersten in meinem Leben. Aber als feststand, dass wir in München in zwei Monaten nichts in einer Lage finden, die für ihn (Englischer Garten, Isar) und uns (zentral) sinnvoll ist, musste ich den Gedanken zulassen. Ihn in eine andere Stadt, und konkret nach Esslingen, mitzunehmen, wäre auch nicht leicht gewesen: Ich bin beruflich viel unterwegs, hätte wieder sehr flexible neue Hundesitter suchen müssen (was ich zuvor in München schon ein Jahr ununterbrochen gemacht hatte). Ich hätte nicht so oft wieder nach München können, ohne ihn mitzunehmen, was teuer ist und schwer, wenn ich bei Freundinnen und Freunden unterkomme. Im Endeffekt hätte sich genau der Stress fortgesetzt, den ich im letzten Jahr in München in meinem Alltag hatte. Es hätte sich nicht nach neuem Start angefühlt. Außerdem ist hier Leinenpflicht, und das konnte ich ihm nicht antun.
Zur Zeit fühle ich mich vor allem deshalb schlecht, weil Tage vergehen, ohne dass ich an ihn denke, oder es vermisse, jeden Tag mit ihm rauszugehen. Ich schaue nicht mehr automatisch neben mein rechtes Bein, wenn ich an eine Straßenkreuzung komme, sage nicht mehr leise „Halt“. Ich dachte, dass es mir viel schwerer fallen würde ohne ihn, aber nach fast neun Jahren Herrchen sein ist es gerade eine große Erleichterung, mir meine Zeit frei einteilen zu können und weniger Verantwortung zu spüren. Es ist total spannend: Ich habe drei Monate überlegt, ich habe so viel geweint, ich habe die beste Lösung gesucht, wir haben einen unglaublich schönen Übergang hinbekommen, ich habe mich aufopfernd darum gekümmert, dass sowohl Ibsen als auch seine neuen Menschen einen schönen Start haben, die letzten Spaziergänge, die letzten Tage in der alten Wohnung, teilweise schon zwischen den Kisten. Ich habe das alles richtig gut gemacht. Und mir einzugestehen, dass ich vielleicht deshalb nicht so viel an ihn denke, weil das keine Hals-über-Kopf-Entscheidung war, keine Impulshandlung, nichts Tragisches (also auf ne Art schon, aber kein Trauma oder so), sondern einfach eine Entscheidung, die ich sorgsam und bewusst getroffen und die ich fantastisch umgesetzt habe, das ist ungewohnt. Das ist schön. Weil ich ja schon immer leiden will. Es bedeutet auch nicht, dass ich nicht Rotz und Wasser heule, wenn in einem Podcast einer von der OP seines Hundes erzählt und wie er danach auf wackeligen Beinen zu ihm getrippelt ist. Ibsen war für ein Drittel meines Lebens mein treuer Begleiter, und ich bin ihm unendlich dankbar für alles, was wir zusammen erlebt haben. Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich nicht in zehn Jahren sage: „Alex, du herzloses Arschloch, was hast du da angerichtet?“, aber gerade fühlt es sich an, als hätte ich für uns beide die richtige Entscheidung getroffen.

So, und nach all der Emotionalität jetzt noch einige plaine News:

– Die Lesung in der Autorenbuchhandlung, die erste in München mit dem neuen Buch, wurde vom 27. auf den 20. November verlegt. Die bereits gekauften Karten (ich kann es nicht fassen, dass ihr bereits Karten dafür gekauft habt!) behalten ihre Gültigkeit. Falls ihr den neuen Termin nicht wahrnehmen könnt, ruft kurz bei Karin an. Und schreibt mir, dann bekommt ihr ein kleines Entschuldigungs-Präsent.

– Gestern habe ich das erste Lyric-Video meiner Band auf YouTube gestellt. Ihr könnt es hier anschauen. Es handelt davon, wie es völlig okay ist, nicht so zu sein wie Robert Lewandowski. Falls er am Samstag im Supercup ein Tor macht, teilt das Video bitte wie blöd. Danke. In den nächsten Wochen folgen die anderen Songs unserer EP, abonniert gerne den Kanal, dann kriegt ihr sie immer frisch angezeigt.

– Ich wurde in den letzten Tagen wiederholt dazu gedrängt, einen Podcast zu machen. Kommt mir vom Format ja auch entgegen. Ein Freund hat das entsprechende Equipment, und will das forcieren. Jetzt die Frage an euch: Würdet ihr den anhören? Und weitere Fragen: Habt ihr Vorschläge zu Inhalt und Namen? Was wird das für ein Podcast? Mit wem und über würdet ihr mich gerne sprechen hören? Ich habe bereits kleine Ideen, aber ich freue mich über Input 🙂

– Meine Website ist überarbeitet und in einem neuen Design, und hat jetzt die wunderbare Seite „Schönes„, auf der unter anderem alle Fotos zu finden sind, die Anja von meinem Wanderstock und mir gemacht hat. (Den Meisterwanderstock habe ich 2017 bekommen, als ich Poetry Slam Meister wurde. Er hat mich ein Jahr begleitet und war mir Billarqueue, Regenschirm, Angel und vieles mehr. Es ist eine wirklich schöne Bildersammlung.)

Kunst, an der ich in den letzten Wochen Freude hatte:

– „Wir sind Gefangene“ und „Gelächter von außen“, die Autobiografien von Oskar Maria Graf. Der Gute ist in meiner Zeit in München ein bisschen unter meinem Radar geflogen, aber meine Güte, ist das gut. Wer etwas über München, Deutschland, ja: die Welt!, Anfang des 20. Jahrhunderts wissen will, sollte das lesen. Wie lebendig diese Stadt in seinen Zeilen wird, ist beängstigend gut.
– „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“, ein Film, den mir mein Freund Pierre Jarawan schon vor Jahren empfohlen hat. Aber wie bei allem bin ich spät dran. Auf dem Rückflug von Island habe ich instinktiv auf den Titel geklickt, und war zwei Stunden lang gefesselt und gefangen und ergriffen. Das muss Kunst machen! Ich hoffe, sie haben haben damals zwei Millionen Oscars gewonnen.
– „Queer Eye“, eine Netflix-Show, die ihr eh alle kennt. Anja und ich haben sie vor einer Woche erstmals angeschaut und waren so elektrisiert von der positiven Energie, die die fünf Jungs versprühen, so viel Liebe, so viel Selbstwert, so viel Unbefangenheit. Ja, es ist amerikanisch und bestimmt auch sehr geskriptet, aber halt auch so rührend und wunderschön.
– „I only listen to the Mountain Goats“, ein Podcast von Joseph Fink, einem Autor, und John Darnielle, dem fucking Sänger der Mountain Goats. Die sitzen in Johns Keller und reden darüber, wie es ist, Künstler zu sein, Fan zu sein, und beides zu sein. Beide sagen so viele kluge und bereichernde Dinge, und obwohl ich die Band verehre, glaube ich, dass der Podcast auch für andere Menschen wirklich spannend sein kann.

Bühnen, die ich in den nächsten Wochen bespielen darf:

– Fast gar keine, juhu! Sommerpause!
– Also, übernächstes Wochenende lese ich in Freiburg unter Sternen, am Samstag, den 10.08.
– Am 23.08. bin ich in Leipzig beim Open Air im Clara Park dabei
– Am 07.09. gibt es das nächste Mal mein Soloprogramm „Man kennt das ja“ im Allgäu, und zwar in der Hängeschmiede in Wangen. Ein paar Karten gibt es noch: hier.
– In München bin ich das nächste Mal erst im Oktober wieder auf der Bühne, bei den Stützen der Gesellschaft am 15.10. Dann auch mit neuem Buch. Mark the date.

Special Treat des Monats:
(nur verfügbar für Menschen, die den Newsletter abonniert haben)

Gehabt euch wohl, schreibt mir gerne, wenn ihr das Bedürfnis verspürt, sagt gerne weiter, dass es den Newletter gibt, und mich und die Band und den Erbse-Masala-Aufstrich im dm. Ich sende Liebe und Dankbarkeit in eure Postfächer und hoffe, ihr habt einen schönen Sommer!

Alex

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Hinter Münster

Schweigende Felder und Backsteinbraunrot
Luft, die andauernd mit Regenguss droht
Der Himmel halbhoch, zwischen Nordsee und Pott
Genau richtig Abstand zum Nachbarn (und Gott)
Ich schau aus dem Fenster, vergesse mein Ziel
Es stimmt schon, hier ist nichts – doch davon so viel

Newsletter #1 – Abschiede

Liebe befreundete Menschen,

mit welcher Anrede starte ich meinen neuen Newsletter? Manche von euch sind gute Freundinnen und Freunde, manche langjährige und vertraute Gesichter im Publikum, manche im Internet über mich gestolpert. Wenn ihr Vorschläge habt, schickt sie mir gerne. Der beste wird beim nächsten Mal verwendet!

Es freut mich, dass ihr ab und zu etwas von mir lesen und auf dem Laufenden gehalten werden wollt. Der Grund des Newsletters ist, dass es mir in den letzten Monaten immer schwerer gefallen ist, meinen Pflichten auf den sozialen Plattformen nachzukommen. Und wenn ich Pflichten sage, meine ich genau das: Wer nicht regelmäßig postet, fällt durchs Anfragenraster und ist weniger spannend. Seit letzten November, als die Eigenbedarfskündigung für die Wohnung von meiner Freundin Anja und mir in München reingeflattert bekam, war mir aber nicht mehr so sehr nach Insta-Oberfläche und Facebook-Werbung. Seit Ende März wohnen wir jetzt in Esslingen, wo auch einige Freundinnen und Freunde von uns leben.

Gerade sitze ich in meinem Ruheraum. Ja, Ruheraum. Es befinden sich darin ein paar Tatami-Matten, eine Yogamatte, ein Tischchen mit einer kleinen Lampe darauf, und ein Schreibtisch. Wäre eigentlich voll was zum auf Social Media posten, würde bestimmt einige Likes kriegen. Wir sind immer noch sehr am Rumräumen, weil mein „Was soll ich den ganzen Tag über machen? Wie balanciere ich Haushalt, Verwaltung und Kreativität?“-Problem sich mit dem Ortswechsel überraschenderweise nicht komplett gelegt hat. Gestern Abend hatte ich dann die Idee für dieses Arrangement: mal schauen, wie lange es hält. Auf meinen Kopfhörern läuft das neue Album der Mountain Goats, „In League with Dragons“. Weil man Drachen nicht immer bekämpfen muss. Ich höre es seit April fast jeden Tag und bin sehr dankbar, eine Lieblingsband zu haben, die seit Anfang der Neuziger alle zwei Jahre ein solches Album raushaut und sich stetig weiterentwickelt. Der Stil hat sich seitdem sehr geändert, aber die Identität ist über fünfundzwanzig Jahre ziemlich klar erkennbar. Hört mal rein: https://youtu.be/3OsEN6YMPrQ

Ich habe in der Zwischenzeit kein neues Album gemacht, aber die EP meiner Band „The Baby and the Dog“ von Dezember ist so alt auch nicht. Mein Logopäde hat mir beigebracht, einige Töne zu treffen, und Ike im Weltraumstudio in Pasing hat den Rest erledigt. Katrin Freiburghaus kann eh singen, und Michi Schauer kann Gitarre spielen, und dann kommt das hier dabei raus: https://thebabyandthedog.bandcamp.com/releases
Wenn euch die Musik so gut gefällt, dass ihr sie öfter als zwei Mal hören wollt, schickt mir gerne eine Nachricht, dann bekommt ihr als Pioniere und Versuchskaninchen meines Newsletters als Dankeschön einen Download-Code für die EP!

Und jetzt noch einige News im Letter:

– Im September wird ein neues Buch von mir erscheinen. Es heißt „Was ich ihr nicht schreibe“ und enthält ziemlich viel von dem, was ich die letzten zwei Jahre in München vorgetragen habe: den Seefahrts– und den König-Luwig-Text, Max und MoritzFertig sein, Neunzig Prozent Wärme, ganz viele „ehemalige Stützen„, Hunde, Katzen, Schwimmen. Außerdem einige Songtexte auch von noch nicht umgesetzten Liedern. Mein Freund Marius Loy hat das erste Lektorat gemacht und fand es gut. Ihr kennt ihn nicht, aber das heißt was. Und Lisa Eckhart hat mir für’s Backcover geschrieben: „Die erbaulichste Hoffnungslosigkeit seit Seneca.“ Das finde ich sehr passend, und werde in den letzten Wochen des daran Arbeitens alles tun, um diesem schönen Satz gerecht zu werden. Und gerade hat sich auch die erste München-Lesung bestätigt: am 27.11. werde ich in der Autorenbuchhandlung in Schwabing lesen. Das ist meine Lieblingsbuchhandlung; ich habe schon zwei Mal bei der Inventur geholfen, und wir haben das schöne System, dass ich alle zwei Jahre dort lese, um das Geld wieder reinzukriegen, dass ich in einem halben Jahr da lasse. Besucht sie mal und wenn ihr wollt, reserviert schon Mal einen Platz. In München muss man ja immer ziemlich früh anfangen mit den Abendplänen, sonst hat niemand mehr Zeit, mitzukommen. http://autorenbuchhandlung.de/
Das Buch selbst könnt ihr hier vorbestellen: http://www.shoptyr.de/Burkhard-Alex-Was-ich-ihr-nicht-schreibe

– Ich habe ein Stadtschreiberstipendium in Rottweil angeboten bekommen. Kurz nachdem ich in einer stolzen schwäbischen Kleinstadt gelandet bin, möchte mich die nächste, noch kleinere für drei Monate zu sich holen. Ich würde im bischöflichen Konvikt wohnen und mit den Schülerinnen und Schülern Mittagessen. Der Lebenslauf (falls ich mich mal in einer noch kleinere schwäbische Stadt bewerben will) und der Bock auf neue Erfahrungen sagen: machen. Das Gemeinschaftsbad über den Gang und das Einleben in Esslingen sagen: Dude. Come on! Any thoughts on your side?

– Im Juni gehen in München zwei langjährige Lieben zu Ende. Die Lesebühnen „Westend ist Kiez“ und „Stadt, Land, Fluss“ werden ihre letzte Ausgabe zelebrieren. Das macht mich sehr traurig, denn beide haben mich in meinen gut zehn Jahren intensiv begleitet. Bei Westend ist Kiez habe ich seit Februar 2009 84-mal gelesen, bei Stadt, Land, Fluss 64-mal. Beide Shows waren ein Grund, warum ich gerne in München gelebt habe, waren Rückzugsort und ein Platz, um Freund*innen zu begegnen. Ich bin froh, dass wir letztes Jahr in beiden Fällen erkannt haben, dass alles seine Zeit hat und noch ein wunderschönes Jahr zusammen veranstaltet haben. Nun geht eine Ära zu Ende, und ich bin wirklich stolz, so lange Teil dieser herzerfüllenden Shows gewesen zu sein. Wenn ihr diese Abschiede live miterleben wollt: Daten und Orte stehen unten.

Bücher, die ich in den letzten Wochen gelesen habe:

– Kristen Roupenian: You Know You Want This. Völlig wahnsinnige, aber ernsthaft tolle Prosa. Die einzelnen Geschichten haben nichts und alles miteinander zu tun, sind vor allem fantastisch erzählt.
– Alexander Schimmelbusch: Hochdeutschland. Investment Broker turned Gutmensch. Ein Viertel des Buchs ist ein Pamphlet, in dem die Hauptfigur mögliche Wege zur sozialen Gerechtigkeit skizziert. Ich habe durchgehend genickt. Leider ein Roman.
– August Strindberg: Die Entwicklung einer Seele. Throwback ins Skandinavistik-Studium; hatte das Buch noch ungelesen zu Hause. Es ist sehr alt. Bei seinen Auslassungen zur sozialen Gerechtigkeit genickt. Bei seinen Auslassungen zum Feminismus den Kopf geschüttelt. Out of time, aber wie alles von Strindberg ein faszinierendes Zeugnis seiner Zeit und Umwelt.
– Benedikt Feiten: So oder so ist das Leben. Benes Erzählen ist direkt und geht ans Herz. Gleichzeitig ist er lustig und erzählt Plots so nebenher und gleichzeitig unausweichlich, wie ich das gerne auch könnte. Zum Glück mag ich ihn, sonst wäre ich neidisch.

Bühnen, die ich in den nächsten Wochen bespielen darf:

– Sa., 01.06., München, Stragula: WESTEND IST KIEZ: Die letzte Ausgabe der Kult-Lesebühne. Nach 15 Jahren verabschieden wir uns. Es lesen (in order of appearance seit 2004) die Stammautor*innen Felix Bonke, Sacha Storz, Volker Keidel, Georg Eggers, Katrin Freiburghaus, Nadja Schlüter, meine Wenigkeit und Anja Perkuhn. Beginn um 20 Uhr, früh da sein!

– Do., 13.06., München, Vereinsheim: STADT, LAND, FLUSS: Auch hier die letzte Ausgabe. 2011 dachten Marvin Ruppert und ich: „Nur Texte vorlesen ist blöd, lass mal Stadt, Land, Fluss mit den Leuten spielen.“ Weil er das nicht jeden Monat machen konnte (Wohnort), übernahm Pierre Jarawan ab der zweiten Ausgabe, und in den letzten Jahren haben wir so viele Texte über uns gegenseitig geschrieben, so viele Kategorien erfunden und so viel Liebe in die Show gesteckt, dass es sehr hart wird, zum letzten Mal den Schlusstext nicht auswendig zu können. Beginn um 19:30 Uhr, reservieren könnt ihr beim Vereinsheim: https://www.vereinsheim.net/?page_id=6

– Di., 18.06., München, Fraunhofer Theater: DIE STÜTZEN DER GESELLSCHAFT: Die Show für alle, die oben nicht wussten, was ich mit „ehemalige Stützen“ meinte. Wir sind optisch in den Zwanzigern, lesen Texte und stellen auf originelle Weise Menschen vor, die in München gewirkt haben und bitteschön nicht vergessen werden sollten. Zum Saisonabschluss gibt es wie immer das Dead vs. Alive Spezial: Fee, Frank Klötgen, Sven Kemmler und ich sind tote Dichter*innen und performen deren Texte, vier Münchner Slammer*innen sind sie selbst und performen das. Nur ein Team kann gewinnen. Letztes Jahr war ich Ludwig II. und habe mir für 300 Euro ein Kostüm ausgeliehen. Bei 120 Euro Abendgage. Brutto. So eine Art Show ist das. Beginn um 20 Uhr, reservieren könnt ihr beim Fraunhofer: https://www.fraunhofertheater.de/karten_

– Sa., 06.07., Donaustauf, Walhalla: Dead vs. Alive Poetry Slam. Comeback als Ludwig II. in der Halle, die eine von mir geschriebene ehemalige Stütze, Leo von Klenze, erbaut hat. Wie sich alles fügt.
– So., 07.07., Bingen, Palais: Best of Poetry Slam.
– Fr., 12.07., Aalen, Frapé, Poetry Slam

Ende Juli hab ich noch mal Studioaufnahmen für meinen YouTube-Kanal (siehe unten: da gibt es sehr viele Texte, die es im Internet sonst nicht gibt), im August Aufnahmen für die Hörbuch-Version von „Was ich ihr nicht schreibe“. Aber bis dahin werdet ihr bestimmt wieder von mir gehört haben.

Special Treat des Monats:
(nur verfügbar für Menschen, die den Newsletter abonniert haben)

Jetzt ist das Album zwei Mal durchgelaufen und ich bin auf dem Sprung nach Stuttgart, wo Anja und ich heute bouldern gehen. Sollte ich da heil wieder rauskommen, sehen wir uns hoffentlich in den nächsten Wochen in München. Ich hoffe, dieser erste Newsletter war in etwa das, was ihr erwartet habt, als ihr dachtet: „Alex schreibt einen Newsletter, well, that oughta be fun!“. Schreibt mir gerne Feedback, oder falls ich was falsch verlinkt habe, oder auch einfach so, wenn ihr mögt. Ich mache das ja nur zu zehn Prozent für mich selbst 😉

Bis dahin erzählt gerne rum, dass es den Newsletter und mich gibt, und seid lieb zueinander.

Viele Grüße,
Alex

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