Sportunterricht

Ich duck mich und hechte und springe
Das Feld ist so klein
Und ich bin allein
An der Decke baumeln die Ringe.

Ich sehe in Dennis‘ Gesicht:
Entschlossenheit pur
Und schau auf die Uhr
Die Stunde ist aus, oder nicht?

„Letzter Wurf“, sagt Herr Wegner
Ich kauer im Eck
Will möglichst weit weg
Und spüre die Hände der Gegner

Ich seh den Ball schaumstoffblau kommen
Irgendwer hält mein‘ Arm
Meine Backe wird warm
Ich taumle und falle benommen

Da johlt applaudierend die Klasse
Und wie ich da lieg
Denk ich nur an Krieg
Mein Gott, wie ich Völkerball hasse.

Der Boden riecht etwas nach Harz
Vom Handballverein
Das fällt mir noch ein
Aber ganz kurz darauf wird es schwarz

Kuchenfalle

Das alles entschei’nde Prinzip einer Falle
Ist ja, dass ich ihren Aufbau nicht schnalle
So müssten wir weniger Tierleichen sehen
Würd‘ ne Maus das Prinzip einer Feder verstehen
(Der genaue Hergang entzieht sich auch mir
Zum Glück bin ich kein Käse liebendes Tier
(Doch finde, die Physiker sollten sich schämen
Als Lockinstrument Leckereien zu nehmen
(Käm‘ ich an ein Holzbrett und säh‘ drauf ’nen Kuchen
Ich würde vermutlich das Selbe versuchen)))

Doch Fallen sind feige, durchdenkt man’s gescheit
Zeigen Fallen ja immer auch Machtlosigkeit
„Im Normalfall würd‘ ich dich niemals bekommen
Drum hab ich ’nen Trick mir zu Hilfe genommen“
(Ich stell dich ins Abseits, ich bau dir ein Pferd
Ich opfer die Dame, ich schwindel beim Wert
(Eine Falle kann viele Facetten erhalten
Und nicht nur dem Tier fällt es schwer, schnell zu schalten
(Seh ich einen Kuchen, dann glüh’n meine Wangen
Die Falle schnappt zu, und du hast mich gefangen)))

Isartalabschweifung

Hinter mir Bäume, vor mir der Wald
über mir Himmel, unter mir Holz
darunter Wasser, frühlingshaft kalt
neben mir Jakob, Blick voller Stolz

Hinter mir Berge, vor mir der Fluss
über mir Krähen, unter mir schwankt’s
darunter fließt es, Jakob, ich muss
ganz kurz mal sitzen, Jakob, mir langt’s

Sitz auf den Balken, halte mich fest
So viele Kurven noch bis zum Ziel
Jakob, ich sag dir, du machst den Rest
Die letzte Klause war mir zu viel

Den Flößerhaken fest in der Hand
lenkt Jakob an den Steinen vorbei
Steht dabei vorne, direkt am Rand
Heiliger Nepomuk stehe ihm bei

Nun lernst auch du es, sagt‘ er beim Bier
Wenn der Fluss hoch steht geht es ganz leicht
Morgen, sprach Jakob, kommst du mit mir
weil dir zur Ehre Flößen gereicht

Kurz hinter Wallgau fuhren wir ab
Kurz hinter Tölz dann musste ich speibn
In Wolfratshausen machte ich schlapp
Seitdem macht Jakob, ich lass mich treib’n

Jakob, bis München, sag mir: wie lang?
Grad erst in Icking, ja geh verreck
Hilft ja nichts, Jakob, gib mir die Stang‘
Plötzlich ist alle Übelkeit weg

Rennen und stoßen, ziehen und steh’n
Nach fünf Minuten merk ich den Schweiß
Mut der Verzweiflung, muss halt jetzt geh’n
Wasser spritzt und die Sonne brennt heiß

So wurd‘ ich Flößer, bin es noch jetzt
Jakob, ich dank dir für die Geduld
Hast stets die wilde Isar geschätzt
Jakob, ich stehe in deiner Schuld

Kraftlos nach Stunden der Jungfernfahrt
Kommt dann die Lände endlich in Sicht
Ich juble lautstark, Jakob bleibt hart
Er war ein Flößer – ich war’s noch nicht

Spätoktobergedicht

Dein Körper kann’s spüren:
November ist nah
Noch droht er von ferne
Schon bald ist er da

Er schickt seine Regen
Ihm peitschend voraus
Die Dunkelheit schleicht sich
Direkt vor dein Haus

Du kannst dich erinnern:
Die Kälte im Schuh
Die Schals und die Jacken
Der Reißverschluss zu
Mensch, wer jetzt kein Haus hat
Der Rilke und du

Verlorst dein zu Hause
Verlorst all dein Geld
Verlorst deine Liebe
Verlorst deine Welt

Noch läufst du durch Spätherbst
Samt Sonne und Glück
Doch kommt der November
Alljährlich zurück

Und mit ihm dein Leben
Was bisher geschah
Er gaukelt und nebelt
Erinnert was war
Doch hinter der Drohung
Ist deine Sicht klar

Fragen an die Zahnfee

Wenn mit der Zunge von innen ich drück
Wenn ich nach vorn schieb und wieder zurück
Wenn ich da rüttel und ruckel und stoß
bewegt sich der Zahn, oder träum ich das bloß?

Wenn mit dem Finger ich minimal dreh
Und ziehe und stupse – nee jetzt tut es weh
Wenn jeden Tag Brote und Äpfel ich schmaus
Dann dauert’s zwei Wochen und schon ist er raus

Und ab unters Kissen und unruhig geträumt
Von schmelzweißen Burgen, von Zahncreme umschäumt
von Zahnseideschluchen und Elmex Gelee
Und andern Metaphern, die ich nicht versteh

Im Aufwachen dann, im wohligen Strecken
Im Nicht-genau-wissen, im ganz kurz Erschrecken
Ne Frage, im frisch belückt schlaftrunknen Gähnen:
Was macht die Zahnfee mit unseren Zähnen?

Sammelt sie sie in nem riesigen Speicher
geht darin schwimmen, wird reicher und reicher?
Mahlt sie sie gründlich und würzt ihre Suppen?
Düngt ihre Blumen? Stopft ihre Puppen?

Fertigt sie ganz kleine Milchzahnfiguren?
Reibt sie zu Sand für entsprechende Uhren?
Sind Zähne für sie etwa Delikatessen?
Möchte sie sie zu nem Edelstein pressen?

Spendet sie sie vielleicht zahnlosen Greisen?
Sind Zähne Reliquien in Zahnfeenkreisen?
Platziert sie sie gar als Skulpturen im Garten?
Kann sie die Winterzeit kaum noch erwarten

Nimmt sie als Kunstschnee, als Streusalz für Pendler?
Hat sie nen lispelnden Zahn-Zwischenhändler?
Oder kann sie die irgendwo teuer verkaufen?
Die muss doch so langsam in Zähnen ersaufen! –

Ich greif unters Kissen und taste und wühl
und find einen Euro und hab das Gefühl
dass ich meine Zähne zu billig verkauf
Ich schlag da in Zukunft noch Zahnsteuer drauf!

Chef’s Table

Ich starte und zähle
Ich wasche und schäle
Ich rasple und rühre
Ich fasse und spüre
Ich mahle und rupfe
Ich forme und zupfe
Ich rolle und mixe
Ich reibe und mische
Ich schneide die Fische

Ich salze und würze
Ich walze und kürze
Ich siede mit Liebe
Flambiere die Tiere
Erhitze und schwitze
Ich stopfe und tropfe
Ich hoffe und rate
Ich stelle zur Seite und warte

Ich köchle, gieß ab und blanchiere
Ich brate, stech rein und probiere
Ich nippe und schlürfe
Ich schnipple und schürfe
Ich quetsche und presse
Ich mörser und zeste
No waste die Reste
Ich dünste und backe
Arrangiere und hacke
Ich schmeck ab und deck ab
Und check das Besteck ab
Ich hau hier extrem auf die Kacke

Ich koch ohne Pause
Jongliere die Kellen
Und du kommst nach Hause
Und willst was bestellen

Sonett für Ellida

Das neue Haus hat sechs große Zimmer
Und die ganze Ausstattung ist noch mal krasser
Auf die Verkehrsanbindung achtet er immer
Doch wieder ist in der Nähe kein Wasser

Der Sand ihrer Kindheit, der Wind um die Ohren
Von dem sie sich sicher war: das bleibt erhalten
Sie gingen im Landesinnern verloren
Erst Hunger auf Leben, dann Leben Verwalten

Die Kinder lieben die bebende Stadt
Hier kann man so schön der Leere entfliehen
Er ist trotz Beförderung niemals ganz satt

Sie fühlt sich wie eine Patientin am Tropf
Irgendwann wird sie den Zugang sich ziehen
Bis dahin behält sie die Dünen im Kopf

Alleine verdauen

Irgendwann ist es Standard geworden
dass ich beim Essen Netflix schaue
Der Computer sitzt auf dem Holztisch
wie eine schlecht erzogene Katze
Seit meine Mitbewohnerin einen neuen Job hat
fällt es mir schwerer, zu Hause zu sein
Alleine kochen
Alleine essen
Alleine verdauen
Heute habe ich mich dazu gezwungen
den Laptop in meinem Zimmer zu lassen
Es gibt Gelbes Dal und Basmatireis
Ich fürchte mich vor den Erinnerungen
an die Abendessen meiner Kindheit
Vielleicht muss ich lauter schmatzen
Chrm
Chrm
Chrm
Mh
Mnjam
Chrmchrm
Chrm
Ich liebe dich, Alex